Seit einiger Zeit liebäugle ich, anstelle von Verboten, mit der Idee, dass man die Anbieter großer sozialer Netzwerke dazu verpflichtet, wesentlich potentere Methoden zur Ablenkungsreduzierung anzubieten als bisher. Derzeit kann man auf YouTube nativ ja nicht einmal Kanäle plattformweit ausblenden! Weitere Beispiele: Shorts verbergen; Kommentare oder Bewertungen verbergen; als Vorschaubild ein zufällig ausgewähltes Videostandbild statt den allseits beliebten Grimassen; usw. Das sind alles Dinge, die man sich derzeit nur mit Browsererweiterungen wie DF-Tube (zweifelhafter Datenschutz) oder mit Invidious/FreeTube/Piped (oft dysfunktional, da von Google bekämpft) einstellen kann.
Dieses Konzept hat insbesondere den Vorteil, ein milderes Mittel als ein Verbot zu sein, indem es im Gegenteil sogar die Selbstbestimmungsmöglichkeiten erweitert, übrigens auch für Erwachsene. Außerdem ist genau das eines der besten, wenn nicht Das beste Training zur “Medienkompetenz”, das ich mir denken kann: Wie sonst soll man den psychologischen Einfluss von Algorithmen und manipulativer UI wahrnehmen und damit umgehen lernen, wenn nicht dadurch, das man diese Funktionen ein- und ausschalten (oder zumindest tiefgreifend modulieren) kann?
Man sollte das Bewusstsein, das die Jugendlichen selbst von diesen Problemen haben bzw. entwickeln, mindestens ab einem mittlerem Alter zum Zuge kommen lassen, sinnigerweise gestaffelt nach Typ der Plattform. Die UI-Anpassungen könnten aber auch jederzeit von den Eltern festgesetzt werden. (NB: In jüngeren Jahren können Verbote, wären sie ohne riesige Kollateralschaden umsetzbar, durchaus eine angemessene Lösung sein. Medienkompetenzschulung bei Zehnjährigen hat jedenfalls etwas von Kokainkompetenzschulung.)
Die größten Probleme des beschriebenen Ansatzes sehe ich darin, dass er (a) vermutlich nur auf Europaebene sinnvoll durchsetzbar wäre, also vorher ein entsprechend breiter Konsens erzielt werden muss, (b) unsere Politiker*innen hier noch bereitwilliger transatlantischen Forderungen nachgeben und (c) potente Lobbygruppen den Vorschlag nutzen könnten, um zuerst sämtliche anderen gangbaren Jugendschutzkonzepte auszuschalten, um sodann diesen Vorschlag zu verwässern, bis sich am Ende gar nichts bessert.
Die Johnathan-Swift-Anspielung ist wohl unbeabsichtigt.
Mein Vorschlag wäre, Browsererweiterungen definitiv zu erlauben. Wie man bei dem Prozess um Adblock Plus mitgekriegt hat, sind solche Erweiterungen nicht unbedingt legal. Wenn klargemacht wird, dass sowas erlaubt ist, auch gegen Geld, und es trotzdem niemand anbietet, dann braucht es wohl doch keiner.
Ich glaube nicht, dass Parlamente die Kapazität haben, UIs in solchem Detail zu regulieren. Das muss man ja auch immer wieder anpassen. Selbst eine Behörde, der so eine Aufgabe übertragen wird, könnte da kaum mithalten. Die müssten ja praktisch für jeden Dienst ein paar Leute abstellen, die den UX-Designern auf die Finger schauen. Von den Einschränkungen diverser Freiheitsrechte gar nicht zu reden.
Außerdem krankt das am selben Problem, wie alle solche Ideen. Das Problem kann man gerade zwischen 4chan und UK beobachten.
jeden Dienst ein paar Leute abstellen, die den UX-Designern auf die Finger schauen
Wieso? Gesetz machen welche Kategorien von Optionen es geben muss. Z.b. “wenn es verschiedene Kategorien von Content gibt muss jede davon individuell abschaltbar sein”. Das betrifft dann insta reels/stories/posts, YouTube Videos/Musik/shorts und spotify musik/Hörbücher/Podcasts alle auf einmal. Wenn sich ein Anbieter nicht dran hält kann er von einem Benutzer gemeldet werden und muss Strafe zahlen.
Der Staat muss nur prüfen wenn ein Anbieter gemeldet wird und kann das dann easy in 15min prüfen. Wenn es noch ein Gesetz gibt, dass die Optionen intuitiv erreichbar sein müssen und nicht in 10 submenüs tief vergraben sein dürfen dauert es sogar nur 5 Minuten zum prüfen.
Dann einfach Strafen als % vom Umsatz in Deutschland erheben und das Problem ist gelöst.
Beispiel: Ein Fahrrad muss Licht haben, um verkehrssicher zu sein. Klar. Deswegen stand in der StVO bis 2013, dass ein Fahrrad einen Dynamo braucht. Zu der Zeit waren batteriebetriebene Lampen schon Jahrzehnte überlegen.
So ein Kleinklein schaffen die Parlamente nicht.
Du gehst von den UIs, wie sie jetzt sind und bringst Wünsche an. UIs sahen vor 10-20 Jahren noch anders aus und werden in 10-20 Jahren wieder anders sein.
Hast du schon mal eine UI gemacht? Wenn nicht, kannst nicht einschätzen, wie das aussieht, wenn man solche locker hingerotzten Anforderungen umsetzt. Der Durchschnittsuser mag es nicht, wenn drölftausend Optionen, die er nicht braucht, alle leicht zu erreichbaren Menüs zumüllen. Vergleich mal populäre Software und andere. Der Durchschnittskunde will nicht alles Mögliche selbst einstellen. Er ist Kunde, weil er wünscht, dass andere diese Arbeit für ihn tun.
Abgesehen davon schaffen nur die größten Anbieter sowas einzuhalten. Sowas wie Lemmy kannst du vergessen. Ich hab jetzt schon starke Zweifel, ob das alles rechtskonform ist. Schau dich mal um, was für Vorschriften einzuhalten sind. Erst mal alle finden…
Dann einfach Strafen als % vom Umsatz in Deutschland erheben und das Problem ist gelöst.
4chan + UK
Man müsste Anbieter einfach dazu zwingen, alternative Frontends zuzulassen und die nötige Dokumentation dafür öffentlich zu machen. Das ist leichter durchzusetzen, und anstatt einzelne Sachen zu verbieten/erzwingen, bringt man sie dazu die Anwendung nicht gegen, sonder für den Nutzer zu bauen.